Beitrag zum Otto-Ditscher-Preis 2009

 

ECCE HOMO 2008


 

 

 

 

 

Ecce homo 2008

 

Was fasziniert, ist das Vieldeutige der ausgewählten Bibelstellen*, polyvalent vor allem hinsichtlich des zögerlichen, von Widersprüchen zerrissenen Pilatus, der, was immer er tut, aus der Ohnmacht einer Double-bind-Situation tut.

Sein „Ecce homo“ - welchen Menschen meint es? Den vom eigenen Volke und dessen Führern Geschmähten? Den von den imperialistischen Besatzern keineswegs nur aus machtgeschützter Bösartigkeit oder aus plebejischer Gemeinheit Gemarterten? Den zur Jammergestalt erniedrigten, dennoch so stolz seine Königswürde Ausstellenden, der von seinen Landsleuten bezichtigt wird dessen, was er nicht sein darf, um ihn schnellstens dem Tod zu überantworten, zu empfangen aus den Händen der Soldateska des Landesfeindes?

Der so in den Tod Getriebene ist nach eigenem Ermessen und Einverständnis visionärer Protagonist einer allgemeinen schuldhaften Verkommenheit, tragischer Held der Negation und Verkünder einer stets sehnlich erwünschten, kaum noch glaubhaften utopischen Zeit. Der gute Mensch - ecce homo? Eine Ikone nur, die, durch die Jahrtausende an die Kette viel zu vieler Abbilder gelegt, dadurch nicht tauglicher wird. Dieser Mensch, der eine Ikone ist - sein Drama findet nicht mehr statt. Er spielt keine Rolle mehr.




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Jesus vor Pilatus - Johannes, Kapitel 18, Vers 28 - 40, Kapitel 19, Vers 1 - 16, ergänzt durch Matthäus, Kapitel 27, Vers 19 (Neues Testament)